Dokumente & Kunst

 

Lesende

Idee war es zunächst, Fotos anzufertigen, die in keinem Werbeprospekt der Insel je zu sehen waren. Oder anders ausgedrückt: Ich musste mich eigentlich nur um 180 Grad drehen, um die Seite der Insel abzubilden, die ebenso die wahre Insel ist wie die »schöne«, der ich mich bisher gewidmet hatte.

Dies war zunächst – und zwar für ein komplettes Jahr – ein harter Angang, denn man muss/ich musste ein derartiges Sujet wohl lieben, um es abzubilden. Hier half mir Hille von Seggern (www.ohrtseggern.de/alltag-forschung-kunst) ungemein, schaffte sie es doch mit ihrer positiven Sicht der (urbanen) Dinge, mir einen unverkrampften Blick auf »die andere Seite Sylts« zu ermöglichen. Und in dieser Phase stellte ich etwas Verblüffendes fest: Während die Landschaftsfotografie, wie ich sie bisher betrieben hatte, vor allem drei Charaktereigenschaften forderte, nämlich eine melancholische Grundhaltung, Ernsthaftigkeit und … Pedanterie, konnte ich das, was mich viel eher auszeichnet, nämlich meinen Humor – auch den schwarzen – endlich in meine Bilder einbringen.

Lippenstift und Zigarette

Auch hielt ich plötzlich Motive mit dokumentarischem Wert in Händen, was bei meinen zeitlosen Landschaftsschönheiten immer zu kurz gekommen war. Zudem war es augenblicklich vorbei mit dem monatelangen Kampf um das Bild: Morgens zog ich los und konnte sicher sein, abends einen Ertrag in der Kamera zu haben. Und ich konnte – und mochte – plötzlich dem Zufall eine Chance geben ... eine ganz neue Erfahrung, die schnell begann, mich zu fesseln … und süchtig zu machen auf weitere Streifzüge im urbanen Raum. Noch etwas Neues: Ich konnte das Haus verlassen ohne eine konkrete Idee zu haben – die kamen dann sehr schnell, sobald ich mich in einer verdichteten Situation befand, die fototrächtig genug erschien. Und das von Hille von Seggern propagierte Wandern – die vorurteilslose Exkursion – erwies sich als die für mich geeignetste Methode, mich dem urbanen Treiben zu nähern.

Urlaubsgefühle

Sämtliche Aufnahmen dieses Projekts wurden – im Gegensatz zu meiner bisherigen Arbeitsweise – digital erstellt und von mir persönlich bis zur Printreife bearbeitet. Als Kameras kamen – etwa hälftig – die Leica S2 und die M9 zum Einsatz. Erstere, wenn von vornherein größere Ausstellungsformate projektiert wurden, letztere, wenn es darum ging, möglichst unbemerkt arbeiten zu können. Bewusst beschränkte ich mich auf »dokumentarische«, also mittlere Brennweiten ohne größeren optischen Verfremdungsgrad – sofern es irgendwie ging zumindest.